KDStV Ripuaria Bonn
Der Erhalt von Tradition ist ein korporatives Kerngeschäft
Sich täglich treu erfinden
Der Erhalt von Tradition ist ein korporatives Kerngeschäft
Probleme mit dem Nachwuchs kennt jeder. Immer wieder brauchen Korporationen Stützburschen, werden Aktivitates abgemeldet oder sogar Häuser verkauft. Gleichzeitig zeigen Neugründungen junger Verbindungen, dass der Erhalt der deutschen Korporationen kein Kampf gegen Windmühlen ist. Natürlich gibt es weder für Neugründungen noch für gutes Klima in alten Verbindungen ein Patentrezept. Aber Erfahrungsaustausch kann nicht schaden – hier in einem Bericht über die Bonner Ripuaren.
Ein Altbau mit einer großen Fahne davor, junge Männer im Polohemd und ein Hauch von Tabaksrauch und Bier im Foyer: so die frühesten Eindrücke meiner ersten Wohnungsbesichtigung in Bonn. Zwei Stunden später sagte ich sämtliche anderen Besichtigungstermine ab und wusste eigentlich schon, dass ich mich zuhause fühle. Sieben Jahre und drei Chargen danach weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war, einzuziehen und den Ripuaren beizutreten.
Am Anfang lernte ich unheimlich viele neue Menschen kennen, lebte mich in der Gemeinschaft ein, und vor allem feierte ich. Aber mit der Zeit wird jedem Verbindungsstudenten klar, dass es um mehr geht. Wenn nicht, dann sollte man vielleicht in einen Kegelverein wechseln. Heute stehe ich in dem Bewusstsein, über 150 Jahre Tradition mit in die Zukunft zu tragen. Durch den Akademischen Kulturkampf, die Wirren des Ersten Weltkriegs, die politischen Unruhen der Weimarer Republik und schließlich die Gräuel des Zweiten Weltkriegs hatte Ripuaria Bestand. Als eine von fünf Cartellverbindungen verweigerten wir unter den Nationalsozialisten die Selbstauflösung, traten schon 1949 wieder offen in Bonn auf und retteten unser Profil durch die reformwütige Zeit der 68er.
Profil, Tradition und Prinzipientreue. Das mag für viele junge Leute langweilig klingen. Aber ich glaube, ich sehe genau deswegen ständig neue Gesichter auf dem Ripuarenhaus, weil wir uns nicht verbiegen und allen klar machen: Hier läuft es so, hier lief es so, und so ist es auch gut. Die Frage ist nur, wie man jungen Menschen Traditionsbewusstsein verkauft. Der Erhalt von Tradition ist korporatives Kerngeschäft. Und es schließt nicht aus, modern zu sein, im Gegenteil. Wenn alle neuen Füxe genau so denken und handeln wie die Generationen davor, dann kocht die Verbindung bald im eigenen Saft und der Austausch erlahmt.
Man braucht ein Grundgerüst, von dem nicht abgewichen werden darf. Dafür gibt es Prinzipien. Wir sind katholisch, wir sind einander Freund und Bruder, wir sind Akademiker – oder wollen welche werden. Und dazwischen gelebter Comment. Zu Kombination wird eben keine Jeans getragen, der Fux hat auch mit Kater in die Messe zu gehen, und nach dem Bierjungen geben sich nur alte Leute die Hand.
Darüber hinaus muss man den Aktiven die Chance geben, sich einzubringen und frei zu gestalten, auch mal ohne Aufsicht. Dekadente Partys oder Casinoabende, bei denen „die Jugend“ auch mal unter sich sein kann oder neumodische Trinksitten, über die mancher Alte Herr die Nase rümpfen könnte. Am Ende geht es eben auch um Hilaritas, und die sollte man den Aktiven lassen, ohne bei jeder Kleinigkeit den Zeigefinger zu heben.
Ich glaube, diesen Spagat schaffen wir in Bonn ganz gut. Es haben nicht alle Erstsemester Angst vor gestern. Es gibt auch diejenigen, die sich gerne in ein Wertesystem einordnen wollen. Ihre Studienzeit genießen wollen aber auch diese Füxe. Und Freunde und junge Damen lockt man nur mit Programmpunkten aufs Haus, die ein bisschen Freiheit zulassen. Mit Speck fängt man Mäuse und schafft es, wie in meinem Fall, dass der Fux irgendwann erkennt: Ich bin gerne hier, und es bedeutet etwas, hier aktiv zu sein. Die unterschiedlichen Charaktere, die guten Gespräche, die schönen Feste, alles das ist nicht selbstverständlich. Das möchte ich für die Zukunft erhalten.
Deutlicher als während der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr hätte ich diese Geisteshaltung von Zusammenhalt nicht fühlen können. Ich saß ex locum in Würzburg und bekam die Nachricht, dass im Ahrtal und andernorts rund um Bonn landunter ist. Ein Alter Herr wurde vermisst (und ist später zum Glück wieder aufgetaucht). Ich lieh mir von einem Cartellbruder ein Auto und fuhr nach Bonn. Schon am nächsten Tag sind wir mit einer Gruppe aus Füxen, Alten Herren, Couleurdamen und Burschen ins Flutgebiet gefahren und haben geholfen. Nicht nur Bundesbrüdern, auch deren Nachbarn und Familien. Mit einem Bundesbruder knietief in Heizöl zu stehen und kaputte Möbel aus dem Fenster zu hieven, ist eine ganz neue Erfahrung. Aber am Ende eine, die mir noch einmal klargemacht hat, wie sehr mir diese Verbindung ans Herz gewachsen ist. Ein Kommentar unseres Alten Herrn Rolf Eversheim beschreibt es treffend. Als wir die zerstörte Wohnung seiner Schwiegermutter ausgeräumt haben, hat er mich angeschaut und gesagt: „Raphael, ich merke, wir können mehr als nur saufen.“
Raphael Schlimbach (RBo)
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