Published On: 30. Juli 2025Categories: Mitglieder stellen sich vor

Lucas Sánchez (Fd)

Deutsche Sprache und Altphilologie

Deutsche Sprache und Altphilologie

Häufig werde ich – sowohl von mir selbst als auch von Bekannten – als Persona non grata beschrieben. Als Kanadier kolumbianischer Abstammung wuchs ich in einem nicht-religiösen Elternhaus auf und besuchte Schulen, in denen christliche Werte kaum eine Rolle spielten. Dennoch entwickelte ich früh ein starkes Interesse an Philosophie und Theologie – eine Neigung, die mich auf einen Weg führte, der schließlich zur Kirche, nach Deutschland und in die KDStV Ferdinandea-Prag zu Heidelberg mündete.

Wie viele meiner Generation wurde ich durch die Coronapandemie nachhaltig geprägt. Das kanadische Schulsystem empfand ich als intellektuell wenig herausfordernd, und als der reguläre Unterricht ausgesetzt wurde, begann ich, mich autodidaktisch mit Philosophie zu beschäftigen. Dabei stellte ich fest, wie sehr die Qualität einer Übersetzung das Verständnis des Textes beeinflusst. Die Lektüre von Cervantes und Gabriel García Márquez in schlechten Übertragungen ließ mich erkennen, dass das Erfassen eines Werkes untrennbar mit der Sprache des Autors verbunden ist. So erwuchs in mir der Wunsch, neue Sprachen zu erlernen.

Zunächst wandte ich mich dem Lateinischen und Deutschen zu, doch während ich in der klassischen Sprache rasche Fortschritte machte, musste ich das Deutschlernen nach wenigen Wochen aufgeben – die grammatischen und lexikalischen Hürden erschienen mir damals zu hoch. Mein Interesse an den alten Sprachen vertiefte sich hingegen weiter: Ein Junior studium an der Universität Toronto ermöglichte es mir, meine Lateinkenntnisse auszubauen, und auf Anraten meiner Professorin nahm ich zusätzlich das Studium des Altgriechischen auf.

Auf der Suche nach Gelegenheiten, Latein im Alltag zu praktizieren, stieß ich auf eine katholische Kirche mit lateinischer Liturgie. Ohne es zu ahnen, trat ich damit in einen intensiven Dialog mit einem Priester des Oratoriums des heiligen Philipp Neri, mit dem ich fast ein Jahr lang regelmäßig theologische Gespräche führte. Diese Auseinandersetzung mit der kirchlichen Tradition und ihrer geistigen Tiefe führte schließlich zu meiner Entscheidung, die Taufe zu empfangen – eine Wahl, die nicht zuletzt durch die lateinische Liturgie, die innere Logik der Dogmen und die ungebrochene Tradition der Kirche über Jahrtausende hinweg bestärkt wurde.

Mit dieser intellektuellen und geistigen Prägung festigte sich mein Entschluss, klassische Altertumswissenschaften zu studieren. Obwohl ich an mehreren Universitäten in England und Schottland angenommen wurde, erschienen mir sowohl die hohen Studiengebühren als auch die mangelnde philologische Ausrichtung vieler Studiengänge als Hindernisse. Deutschland hingegen bot eine lange Tradition der Philologie, akademische Exzellenz und ein Umfeld, das die Wissenschaft der Antike mit der ihr gebührenden Sorgfalt behandelte.

Der einzige Nachteil war mein fehlendes Deutsch. Mein zweiter Versuch, die Sprache zu erlernen, scheiterte während eines Aufenthalts in Hildesheim, da meine Mitschüler sich mehr für die Praxis ihres Englischen als für meine Fortschritte im Deutschen interessierten. Ohne nennenswerte Sprachkenntnisse kehrte ich nach Kanada zurück. Doch mein Ziel gab ich nicht auf.

Ich bewarb mich für die Sprachschule der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und suchte eine Umgebung, die mich sprachlich und intellektuell fordern würde. Eine Wohngemeinschaft, in der ausschließlich Deutsch gesprochen wurde, die nur katholische Männer aufnahm und eine jahrhundertealte Tradition pflegte, erschien mir ideal.

Mein Keilgespräch musste ich zunächst auf Englisch führen, und ich rechnete nicht mit einer Aufnahme. Umso überraschender war die Einladung zu einem persönlichen Gespräch auf dem Haus. Zwei Wochen blieben mir, um mein Deutsch so weit zu verbessern, dass ich mich verständlich machen konnte. Als der Tag kam, war mein Wortschatz noch begrenzt, doch es gelang mir, den Bundesbrüdern der KDStV Ferdinandea-Prag zu Heidelberg zu vermitteln, dass mich ähnliche Werte und Interessen bewegten.

Verständlicherweise gab es kritische Stimmen. Dennoch entschieden sich genug Bundesbrüder, mir eine Chance zu geben – eine Verantwortung, die ich nicht auf die leichte Schulter nahm. Sie vertrauten darauf, dass ich innerhalb von sechs Monaten das C1-Niveau erreichen könnte, und unterstützten mich in jeder Hinsicht. Sie korrigierten meine Fehler, halfen mir bei meinen Aufgaben und brachten mir in unzähligen Stunden neue grammatikalische Konzepte bei. Mein Alltag bestand aus intensivem Lernen von morgens bis abends, gefolgt von geselligen Runden mit meinen Bundesbrüdern, in denen wir Lieder sangen, über Gott und die Welt sprachen und ich allmählich begann, immer mehr zu verstehen. Nach einem Semester bestand ich die Aufnahmeprüfung für die Universität Heidelberg, und nach einem Jahr Studienkolleg begann ich mein Studium der klassischen Philologie.

Rückblickend war mein Weg nicht geradlinig, aber genau diese Herausforderungen haben mich geprägt. In der Ferdinandea fand ich nicht nur eine sprachliche und akademische Förderung, sondern auch eine Gemeinschaft, die Glaube, Wissenschaft und Freundschaft vereint.

Ich bin überzeugt, dass akademische Bildung ohne Werte unvollständig bleibt, dass wahre Freundschaft Bestand hat und dass Tradition eine Verpflichtung ist. In der Ferdinandea habe ich Bundesbrüder gefunden, die mich forderten, unterstützten und begleiteten. Hier habe ich erlebt, was es bedeutet, Wissenschaft nicht nur um ihrer selbst willen zu betreiben, sondern sie mit Verantwortung und Überzeugung zu verbinden. Oder wie meine Mutter einem Bundesbruder gesagt hat: Ich habe hier meine Heimat gefunden.

Lucas Sánchez (Fd)

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