Published On: 26. November 2025Categories: Mitglieder stellen sich vor

Theo Hoenhorst (Sv)

Wir merkten, dass das passt

Wir merkten, dass das passt

Vom Fenster meines Kinderzimmers aus konnte ich direkt auf die Einfahrt und die Haustür des Nachbarhauses gegenüber schauen. Das Paar, das dort wohnte, ist mir sehr lieb geworden, doch einiges, was ich durchs Fenster sah, irritierte mich: Gelegentlich, wenn Kristian gegen Abend das Haus verließ, trug er ein seltsames rot-weiß-blaues Band und ein seltsames Mützchen mit gleichen Farben. Ich wusste, dass es etwas mit seinem Katholizismus zu tun hatte; damals war ich noch ungetauft. Die römisch-katholische Kirche war mir damals ähnlich fremd wie das Studentenverbindungswesen. Auf dem Heck seines Autos klebte ein Sticker mit den beiden Buchstaben CV, daher fragte ich ihn einmal, was es damit auf sich habe.
Cartellverband. Cartell kannte ich nur aus Mafia-Geschichten. Was mich bei den beiden immer faszinierte, war die Einheit zwischen dem, was sie sagten, und dem, was sie lebten. Kristian
verglich den katholischen Glauben mal mit einem Gebäude; wer freilich das Fundament abgräbt, lässt das Gebäude einstürzen. Vielen, die es mit dem Religio-Prinzip nicht mehr so ernst nehmen, scheinen bereits Trümmer auf den Kopf gefallen zu sein. Wie gut, dass wir die Baupläne noch haben. Auch Altbau muss man pflegen, um ihn bewohnbar zu halten; einen Hausbautag des Glaubens könnte man das nennen.

Später wurde Kristian mein Taufpate. Ohne ihn hätte ich die Wahrheit und die Schönheit des katholischen Glaubens vielleicht nie entdeckt. Doch auch den Weg zum CV hat er mir mit seinem Beispiel als erster gezeigt. Der Weg zum katholischen Glauben war einer über Jahre, ausschlaggebend war sicher auch die Romreise während des Abiturs, bei der auch mein Philosophielehrer dabei war. Zwar selbst Agnostiker, half er mir dennoch, als Philosophie-Interessierter nicht einer vulgären Form feuerbachianischen Denkens zu verfallen. Kierkegaard sei ein verkappter Katholik, sagte er in der Ewigen Stadt, als er mich mit einem Buch sah, das eine Einführung in das Denken des dänischen Philosophen darstellte.

Zum Studieren zog ich nach Berlin. Dort wurde mir schließlich auch das heilige Sakrament der Taufe gestiftet. Robin, den ich in der Kirchengemeinde in Neukölln kennenlernte und der mein zweiter Taufpate wurde, fand meinen Wunsch, einer katholischen Studentenverbindung beizutreten, großartig. Doch welcher? Er hielt einen Vortrag bei einer Verbindung namens Suevia; da habe er sehr gute Erfahrungen gemacht. Etwas später lernte ich dann in der Kirche Yannick Schmitz kennen, aktiv bei Suevia. Nach einem feuchtfröhlichen Abend mit noch einem weiteren Schwaben merkten wir, dass das passt. Einige Tage später lud er mich dann das erste Mal aufs Schwabenhaus ein. Mit meiner Wohnung in Neukölln bin ich sehr zufrieden und wollte daher auch nie eines der Zimmer im schönen Haus, – Zehlendorfs Stadtbild ist zwar wesentlich schöner als das von Neukölln, aber auch spießiger – dennoch unterschrieb ich schon wenig später. Die Bundesbrüder und nicht zuletzt der tolle Verbindungsseelsorger, namentlich Monsignore Jürgen Doetsch, waren dafür ausschlaggebend. Viele wurden mir schnell zu Freunden.

Bei der Ankneipe des Wintersemesters 2024 wurde ich gemeinsam mit Gabriele aus Mailand rezipiert. Mich beeindruckte, wie international die Verbindung ist, gerade da man Studentenverbindungen häufig nationalen Muff nachsagt. Polen ist zwar von Berlin nicht weit weg, von Italien ist Berlin jedoch mindestens genauso weit entfernt wie die Mentalität der Hauptstadtbewohner vom Dolce Vita. Wie gut, dass auf dem Schwabenhaus das süße Leben noch wertgeschätzt wird. Gabriele wurde mir zu einem guten Freund.

Das Wort Zivilgesellschaft ist durch staatlich finanzierte „Non Government Organisations“ zum Schimpfwort geworden. Und doch ist es genau das, was unsere europäische Kultur auszeichnet: viele Glieder, die nicht als monolithischer Block darstellbar sind. Viele Gemeinschaften, nicht eine dumme Masse, die in die gleiche Richtung rennt. Gemeinschaften, in denen man sich gegenseitig hilft, in denen man einander kennt und in denen man die Unerträglichkeiten, die jeder Mensch seit dem Sündenfall hat, bei seinen Bundesbrüdern doch irgendwie erträgt. So eine Gemeinschaft habe ich bei der Suevia gefunden.

Katholiken waren nie sonderlich anfällig für Totalitarismen, weder für den Nationalsozialismus noch für den Kommunismus. Widerstehen fällt leichter, wenn man weiß, dass das Jammertal ein Jammertal bleibt und stattdessen die Kostbarkeiten des Lebens im Kleinen liegen; die Sehnsucht nach dem Großen wird schließlich sonntags erfüllt. Es braucht dafür keine Demagogen. Auch heute bleibt die Klarheit unserer Prinzipien einzigartig, gegen den Zeitgeist sowohl von links als auch von rechts. In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas. Bleiben wir ihnen treu, widerstehen wir auch den dunkelsten Zeiten, die von vielen heute wieder beschworen werden. Durch die Finsternis zum Licht.

Theo Hoenhorst (Sv)

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